Sonderbundskrieg – Bürgerkrieg

In den 1840er-Jahren ist die Schweiz ein Pulverfass im Herzen Europas. Die Ausbreitung freisinniger Ideen ist den umliegenden Grossmächten wie auch manchen Kantonen ein Dorn im Auge. Immer erbitterter stehen sich die Konservativen und die Liberalen gegenüber. Die gegenseitigen Provokationen gipfeln in mehreren blutigen Angriffen auf die katholisch-konservative Hochburg Luzern. Daraufhin schliessen sich sieben Kantone in einem «Sonderbund» zusammen: Uri, Schwyz, Unterwalden, Luzern, Zug, Freiburg und Wallis. 1847 erringen die Liberalen die Mehrheit in der Tagsatzung und beschliessen, den Sonderbund aufzulösen, wenn nötig mit Waffengewalt.

So kämpfen bald Eidgenossen gegen Eidgenossen, und zudem droht eine Intervention des Auslands. Das Schicksal ist der Schweiz aber gnädig gesinnt: Der Bürgerkrieg dauert nur 25 Tage und fordert mit knapp 100 Toten und rund 500 Verwundeten relativ wenige Opfer. Von diesem Tiefpunkt führt der Weg zum Meilenstein, der die Geburt der modernen Schweiz markiert: die Bundesverfassung von 1848.

Sonderbundskrieg 1847 Heimkehr
Sonderbundskrieg 1847 Heimkehr

23. November 1847

Fieberhaft schreibt Sonderbundsgeneral von Salis-Soglio im luzernischen Gisikon bis spät in die Nacht Briefe. Sein Angriff auf den Aargau ist fehlgeschlagen. Nun sieht er sich zwischen Reuss und Zugersee in die Defensive gedrängt: Aus allen Richtungen rücken General Dufours Divisionen heran.

Als sich der Morgennebel lichtet, sieht Salis feindliche Bajonette in der Sonne blinken. Mit seinen Haubitzen treibt er den Gegner vom Ufer der Reuss zurück. Nach stundenlanger Kanonade rollt kurz vor Mittag die mächtige erste Angriffswelle heran. Mit Müh und Not hält Salis stand, doch der Kampf beginnt sogleich von Neuem. Das feindliche Feuer wird immer heftiger und zwingt Salis erneut zum Rückzug.

Nicht besser ergeht es den Sonderbundstruppen bei Meierskappel und Schüpfheim – drei Mal werden sie an diesem schicksalhaften Tag geschlagen. Der 23. November läutet das Ende des Sonderbundes ein, denn wer will General Dufour aufhalten? Unaufhaltsam marschieren seine Divisionen weiter gegen Luzern. Das Ende des Bürgerkriegs ist nah.

Ist Angriff wirklich die beste Verteidigung?

Als «Schutzvereinigung» gegen radikale politische Hooligans aus anderen Kantonen wird der Sonderbund gegründet. Sein Kriegsrat trifft sofort militärische Vorbereitungen. So sind die Milizen des Sonderbundes bereits organisiert und bewaffnet, als Mitte 1847 die Liberalen an der Tagsatzung gegen die Konservativen vorgehen.

Aufgrund seiner militärischen Vorteile ist sich der Kriegsrat des Sieges sicher und will rasch die Offensive ergreifen. General von Salis-Soglio und auch das Volk wollen jedoch niemanden angreifen; sie wollen sich nur gegen Aggressionen verteidigen.

Der Kriegsrat setzt sich durch. Der Angriff auf das Tessin bleibt aber wegen fehlender Artillerie und Munition bald stecken. Im Aargau treffen Salis’ Truppen auf heftigen Widerstand und werden rasch zurückgeschlagen. Plötzlich finden sie sich nach ungeordnetem Rückzug auf eigenem Boden in die Defensive gedrängt. Auf breiter Front misslingt nun die improvisierte Verteidigung. Nach dem kläglichen Scheitern seines Plans löst sich der Kriegsrat überhastet auf.

Der liebenswürdige Haudegen

Lächelnd reitet der General der Sonderbundstruppen an vorderster Front durch den Kugelhagel im Aargau. Aus kurzer Distanz pfeifen ihm die Geschosse der gegnerischen Scharfschützen um die Ohren. Taugen ihre Flinten nichts? General von Salis-Soglio weiss es besser: Die Engel des Herrn beschützen ihn.

Als Kavallerist ist Salis ein Mann der Tat und seinen Soldaten ein Vorbild an Tapferkeit. Von Strategie und Taktik hält er jedoch wenig. Er ist kein kühl kalkulierender Feldherr, auch von seiner Art her nicht: Salis ist umgänglich, liebenswürdig, allseits beliebt, kann sich aber gegen den sonderbündischen Kriegsrat nicht durchsetzen. Zudem schafft er es nicht, unter seinen Soldaten Ordnung und Disziplin herzustellen. So erweist sich die Armee des Sonderbundes als mangelhaft koordiniert und wenig schlagkräftig. Salis selbst wird schliesslich bei Gisikon von einem Granatsplitter am Kopf getroffen und sinkt blutüberströmt zu Boden – die Engel haben ihn verlassen. Ohne entschlossene Führung stehen seine Truppen auf verlorenem Posten.

Guillaume-Henri Dufour
Guillaume-Henri Dufour

Der gewiefte Stratege

Im zivilen Leben ist Guillaume-Henri Dufour Ingenieur und Chef des späteren Bundesamtes für Landestopographie. Er baut Hängebrücken und lässt die Schweiz bis in den letzten Winkel vermessen. In seiner militärischen Karriere verlässt er sich ebenso auf Planung, Ordnung und Übersicht.

Am 25. Oktober 1847 wird Dufour an die Spitze der Tagsatzungsarmee berufen. Sein Auftrag: den katholisch-konservativen Sonderbund auflösen. Dieser verfügt allerdings bereits über kampfbereite Milizen. Dufour steht unter Zugzwang und nimmt das Heft sofort in die Hand. Strategisch geschickt nützt er die geografischen Nachteile der Sonderbundsmitglieder aus: Zuerst wird Freiburg isoliert und zur Kapitulation gezwungen. Das Wallis hält Dufour in Schach, indem er eine Division am Ausgang des Rhonetals postiert. Dann rückt er eilends gegen Luzern vor und erdrückt den Gegner wiederum mit seiner Übermacht, ohne dass es zu verlustreichen Kämpfen kommt. Dufours Übersicht und die disziplinierte Umsetzung seiner Strategie entscheiden den Bürgerkrieg.

1848 Sonderbundeskrieg
1848 Sonderbundeskrieg

Kein Sieg um jeden Preis

1847 soll General Dufour die drohende Spaltung der Schweiz verhindern. Seine Truppen sind der Armee des Sonderbundes überlegen, sowohl zahlenmässig als auch in der strategischen Führung. Fast wichtiger als der Sieg ist aber die Art, wie er errungen wird. Dufour und seine Offiziere setzen Disziplin und Ordnung durch. In einer Proklamation vom 22. November wendet sich der General an seine Truppen: «Sobald aber der Sieg für uns entschieden ist, so vergesset jedes Rachegefühl, betragt Euch wie großmüthige Krieger, verschont die Ueberwundenen, denn dadurch beweist Ihr Euern wahren Muth.» Seine Worte fruchten: Der Sonderbund wird besiegt, aber nicht vernichtend geschlagen oder gar gedemütigt. Der gemeinsame Weg in die Zukunft, zu Ruhe und Wohlstand, wird damit offen gehalten.

Dufour liefert im Sonderbundskrieg den Beweis: Auch in bewaffneten Konflikten kann humanitären Regeln Geltung verschafft werden. Es verwundert also nicht, dass der Genfer Dufour zusammen mit dem Genfer Dunant 1863 zu den Gründern des Roten Kreuzes zählt.

Zankapfel Religion

Drei Wochen nach Beginn des Bürgerkriegs steht eine erdrückende Übermacht eidgenössischer Truppen vor den Toren Luzerns. Nicht ohne Grund ergeht ein Appell an ihr Ehrgefühl: «Achtet die Kirchen […]! Nichts befleckt Eure Fahne mehr, als Beleidigungen gegen die Religion.» Denn gerade der katholische Glaube hat in den Jahren zuvor Anlass zu immer heftigerem Streit gegeben. Im Aargau wurden 1843 die Klöster «wegen Fortschrittsfeindlichkeit» aufgehoben. Daraufhin berief Luzern die Jesuiten an die höheren Schulen – eine Provokation für die reformierten Freisinnigen! Aus der ganzen Schweiz strömten 1844/45 radikale Freischärler herbei, um die Luzerner Regierung zu stürzen. Sie scheitern, aber es wird viel Blut vergossen.

Nun haben also wieder unfreundlich gesinnte Bewaffnete Luzern im Visier. Doch das kleine Wunder geschieht: Die Stadt wird ohne Ausschreitungen eingenommen, die Fahne der Sieger bleibt unbefleckt. Danach beruhigen sich die Gemüter ein wenig; über Religionsfragen gibt es zumindest keine blutigen Köpfe mehr.