Zum 175-Jahr-Jubiläum der Bundes­ver­fassung erhält die Fassade des Parlaments­gebäudes ein neues Kunstwerk. Ganze 246 dreieckige Keramik­platten im Giebel­feld werden mit dem Licht spielen.

Das Tympanon des Parla­ments­gebäudes ist nach Ansicht der Kunst­kommission Parlaments­gebäude (KKP) der ideale Platz für ein zeit­genössisches Kunstwerk. Renée Levi, die Gewinnerin des entsprechenden Kunst­wett­bewerbs, wird in dem dreieckigen Giebelfeld an der Nordfassade im September 2023 ein riesiges Mosaik anbringen und somit symbolisch den letzten Baustein der umfassenden Gebäude­renovation zwischen 2006 und 2009 setzen.

15 Schweizer Künstlerinnen und Künstler waren im Hinblick auf das Jubiläum der Bundes­verfassung eingeladen worden, ihre Projekte einzureichen, und deren 13 waren dieser Einladung gefolgt. Den Zuschlag erhielt letztlich die Basler Künstlerin Renée Levi mit einem Originalwerk, das sich bestens in die Umgebung einfügt. Sie beginnt ihre Arbeiten im Frühjahr 2022.

Das Projekt

Tymoanon mit Mosaikplatten von Renéé Levi
Tymoanon mit Mosaikplatten von Renéé Levi

Das Werk

Jedes Element des Mosaiks steht für einen der 200 Nationalrats- und 46 Ständeratssitze. Das Werk trägt den Titel «Tilo» zu Ehren von Tilo Frey (1923–2008), einer Neuenburger Politikerin, die zu den elf Pionierinnen gehört, die 1971 als erste Frauen in den Nationalrat einzogen, und die zugleich die erste schwarze Frau im Bundesparlament war. Das neu gestaltete Tympanon des Parlamentsgebäudes symbolisiert somit ein diverses Parlament, das sich in ständigem Wandel befindet. Durch die Glasur der Keramikplatten wird sowohl das Tageslicht als auch die nächtliche Beleuchtung reflektiert, was dem Gebäude Glanz verleiht. Zudem entsteht dadurch optisch eine leichte Bewegung in der statischen Fassade.

Bei der Farbe der Mosaikplatten liess sich Renée Levi vom grauen Kalkstein und vom grünen Berner Sandstein inspirieren. So wird die Gebäudefront verziert, ohne ihr Erscheinungsbild massiv zu verändern. Die Künstlerin möchte den Geist des Gebäudes unterstreichen und hervorheben. Im Sinne von Bundeshausarchitekt Hans Wilhelm Auer, welcher bei seinen Arbeiten den Traditionen und dem Kunsthandwerk der Schweiz Ehre erweisen wollte, werden die einzelnen Elemente des Mosaiks von Hand hergestellt. Tatsächlich stammen 95 Prozent der beim Bau und bei der Renovation des Gebäudes verwendeten Materialen aus der Schweiz.

Ein leeres Giebelfeld

Hans Wilhelm Auer wendete 16 Prozent des Baubudgets für die künstlerische Ausschmückung des Gebäudes auf. Der Innenbereich enthält zahlreiche Verweise auf die Gründungslegenden der Schweiz, vom Rütli bis zu Wilhelm Tell. Die Südfassade ist mit Skulpturen und den Kantonsmosaiken und die Nordfassade mit drei Frauenfiguren versehen. Das darüberliegende Tympanon jedoch blieb leer. Eine mysteriöse Nacktheit, denn diese Giebelfelder sind für Verzierungen wie gemacht.

In seinem Ausführungsplan von 1894 hatte Auer dem Bundesrat eine Allegorie der damals 22 Kantone vorgeschlagen, die letztlich aber nicht realisiert wurde.
Im Jahr 1903, ein Jahr nach der Einweihung, wurde dann ein Kunstwettbewerb ausgeschrieben. Der Neuenburger Künstler Alfred Lanz schlug für das Tympanon ein Flachrelief vor. Was aus seinem Vorschlag wurde, ist jedoch nicht bekannt. «Wir hätten gerne die Protokolle der damaligen Kunstkommission eingesehen. Allerdings fehlt von diesen bisher jede Spur», so Kunstkommissionspräsident Hans-Rudolf Reust.

Im Jahr 1906 versuchte der Tessiner Architekt Augusto Guidini (1853–1928) sein Glück. Ohne dazu aufgefordert worden zu sein, legte er nicht weniger als sieben Projekte vor. Jedoch ohne Erfolg: Der Bundesrat beschränkte sich darauf, eines der Bilder als «Ehrerbietung eines Künstlers und Bürgers» zu behalten, ohne es jemals zu bezahlen.

120 Jahre später erhält diese Geschichte ihre Fortsetzung und gleichzeitig ihren Abschluss. Renée Levi sieht im neuen Tympanon die Vollendung der Arbeiten am Gebäude.

Tympanon Bundeshaus Bern
Tympanon Bundeshaus Bern
Renée Levi
Renée Levi

Renée Levi

Gemeinsam mit ihrem Ehemann Marcel Richard Schmid wusste Renée Levi die Jury des Kunstwettbewerbs und die Verwaltungsdelegation des Parlaments zu überzeugen. Ihr Projekt wurde als der durchdachteste und passendste Vorschlag angesehen.

Die in der Türkei geborene Basler Künstlerin ist im In- und Ausland bekannt. Arbeiten von ihr findet man unter anderem in der Universität Basel, am Zürcher Sitz der Credit Suisse, im Kantonsspital Winterthur, im Museum für moderne und zeitgenössische Kunst in Genf und sogar am Militärflugplatz Dübendorf.

Raum und Umgebung sind für die ausgebildete Architektin von besonderer Bedeutung. Sie spielt mit Materialien und Farben, um die Wahrnehmung der Umgebung zu verändern. Sie interagiert stets mit den Ausstellungsräumen und setzt sich das Ziel, die gewählten Standorte zu verschönern und zu vervollständigen. Ihr Schaffen macht sie zur idealen Kandidatin dafür, das Symbol der Schweizer Demokratie angemessen zu verzieren.

www.reneelevi.ch

«Tilo – eine Geschichte in Bildern»

Ein Kunstwerk entsteht: Fotograf Rob Lewis verfolgt mit der Kamera das Projekt des Studios “Renée Levi” von den ersten Skizzen bis zur Einweihung. Fortsetzung folgt.

Atelierbesuch bei Renée Levi

Farbabstimmung an der Bundeshausfassade

Installation Testobjekt

Lichttest

Tilo entsteht - Besuch bei Swisskeramik in Sarnen

Werkhalle

Montage Keramik

Trailer Dokumentarfilm «Über Tilo.»