Nach dem Ende des Sonderbundskrieg im November 1847 wurde eine Bundesverfassung ausgearbeitet, die nach intensiven Verhandlungen angenommen wurde und am 12. September 1848 in Kraft trat. Von mehreren Kantonen – darunter Obwalden, Nidwalden, Uri, Schwyz, Wallis und Appenzell-Innerrhoden – wurde sie allerdings abgelehnt. Diese Kantone haben einen besonderen Platz in der Schweizer Verfassungsgeschichte, da sie sich gegen jede Totalrevision der Bundesverfassung (1848, 1872, 1874 und 1999) ausgesprochen haben.
Einige Kantone wie Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwalden, Appenzell-Innerrhoden und Wallis waren von Anfang an gegen die Ausarbeitung einer Bundesverfassung und sprachen sich 1848 dann auch gegen deren Annahme aus. Laut Pascal Mahon, Professor für Verfassungsrecht an der Universität Neuenburg, war diese ablehnende Haltung eine Folge des Sonderbundskriegs: «Die Schweiz hatte soeben einen Bürgerkrieg überwunden und die Sieger zwangen der Minderheit in gewisser Weise eine neue Verfassung auf. Die Kantone, welche die Bundesverfassung immer abgelehnt haben, gehören zu den Verlierern des Sonderbundskriegs. Die Sache ist also ziemlich klar.» Auch für Ständerätin Marianne Maret (Die Mitte, Wallis) spielte der Sonderbundskrieg in diesem Zusammenhang eine Rolle: «Das Wallis war ein konservativer Staat in diesem Krieg, was sicherlich ein Grund dafür ist, warum der Kanton dieser Verfassung nicht zustimmte.»
Umfangreiche
Änderungen
Abgesehen vom Einfluss des Sonderbundkriegs, ist aber auch
festzuhalten, dass die Bundesverfassung von 1848 erhebliche Neuerungen für die
Kantone brachte. So entstand mit der neuen Verfassung ein Bundesstaat, nachdem
die Kantone zuvor einen Staatenbund gebildet hatten, in dem jeder Kanton
Zollrechte und eine eigene Währung besass. Ausserdem war jeder Kanton souverän
und hatte ein Vetorecht. «Die Kantone konnten sich z. B. für eine gemeinsame
Verteidigungspolitik entscheiden, obligatorisch war dies aber nicht», erklärt
Pascal Mahon und ergänzt: «In einem Bundesstaat entsteht ein Zentralstaat, und
selbst wenn die Kantone einen Teil ihrer Autonomie behalten, haben sie ihr
Schicksal nicht mehr in der eigenen Hand, sind sie nicht mehr vollkommen
souverän. Dies beweist auch die Tatsache, dass die Bundesverfassung auch für
jene Kantone galt, die sie abgelehnt hatten.»
Mit der Bundesverfassung von 1848 wurden bestimmte Kompetenzen wie Armee, Zoll, Post und Währung dem Bund übertragen, andere – wie das gemeinsame Eherecht – kamen erst nach und nach mit dem gesellschaftlichen Wandel hinzu. «Anfangs konnte man in einigen Kantonen einfacher heiraten oder sich scheiden lassen, aber mit der Zeit stellte man fest, dass es immer komplizierter wird, wenn man die Gesetze nicht vereinheitlicht», so Pascal Mahon. «Immer mehr Bereiche wurden zentralisiert und heute liegen die meisten Kompetenzen beim Bund. Die Kantone sind nur noch für die Schulen, die Polizei und die Spitäler zuständig.»
Veränderungen werden, abhängig von den Werten der Kantone, unterschiedlich aufgenommen. Einige Kantone ziehen die lokalen Sitten einer nationalen Vereinheitlichung vor. Ständerat Erich Ettlin (Die Mitte, Obwalden) erklärt: «Die Bevölkerung von Obwalden ist untypisch, vorsichtig, hat besondere Sensibilitäten. Sie mag die Zentralisierung nicht und identifiziert sich vor allem mit dem eigenen Kanton.» In dieselbe Kerbe schlägt Ständerat Joseph Dittli (FDP, Uri): «Uri ist ein Kanton, der Veränderungen eher skeptisch gegenübersteht und seine Autonomie schätzt. Wir wollen uns nichts von aussen vorschreiben lassen. Wir haben den Mehrheitsentscheid trotzdem akzeptiert, aber solange es nicht nötig ist, wollen wir nichts ändern.»
Weiterentwicklung
der Bundesverfassung
Die
Bundesverfassung hat sich seit 1848 nach und nach weiterentwickelt und dieser
Prozess wird, so die Einschätzung von Pascal Mahon, nicht so bald enden: «Die
Bundesverfassung wird sich sicherlich weiter verändern, ob zum Guten oder
Schlechten, sei dahingestellt, aber sie wird jedenfalls stets modernisiert
werden.» Gewandelt hat sich auch die Einstellung der «verfassungsfeindlichen»
Kantone. So sagt Ständerat Daniel Fässler (Die Mitte, Appenzell-Ausserrhoden):
«Ich denke, unser Kanton ist inzwischen sehr aufgeschlossen. Er entwickelt sich
und ist offener nach aussen. Gäbe es eine neue Abstimmung über die
Bundesverfassung, dann würden wir meiner Ansicht nach jetzt zustimmen.» Eine
Meinung, die sein Obwaldner Ständeratskollege Erich Ettlin teilt: «Ich denke,
wenn heute erneut abgestimmt würde, dann würden die Leute Ja sagen. Unser
Kanton hat sich nach aussen geöffnet und die Mentalität hat sich verändert.»